Emotionen im Job? Wenn „Ich bin enttäuscht!“ zum Problem wird

von Sylvia
Veröffentlicht am: Zuletzt aktualisiert am
Emotionen im Job @ Nick Fewings / Unsplash

Emotionen im Job – Kennst du das? Du fühlst dich unter Druck gesetzt, wenn Kollegen oder Vorgesetzte mit ihren Gefühlen argumentieren, um ein bestimmtes Verhalten von dir zu erzwingen. Oder hast du selbst schon mal Sätze wie „Ich bin enttäuscht, dass du das (nicht) getan hast!“ genutzt und gemerkt, wie schnell das Gegenüber in die Defensive geht?

Gerade am Arbeitsplatz, wo Professionalität und klare Kommunikation entscheidend sind, kann der unsachgemäße Umgang mit Emotionen schnell zu Missverständnissen, Frustration und einem ungesunden Arbeitsklima führen.

Dieser Artikel beleuchtet, warum das Argumentieren mit Gefühlen durchaus problematisch ist – insbesondere aus psychologischer Sicht, denn es kann dein Gegenüber massiv unter Druck setzen. Dieser Artikel zeigt dir, wie solche Situationen entstehen und warum es besser ist, auf eine andere Art und Weise konstruktiv mit Emotionen umzugehen. Und warum es manchmal besser sein kann zumindest zunächst seine Emotionen aus dem Spiel zu lassen.

Emotionen am Arbeitsplatz: Mehr als nur „Bauchgefühl“

Emotionen sind ein natürlicher Teil des Menschseins und haben ihren Platz – auch im Berufsleben. Sie können uns motivieren, warnen und verbinden. Doch ihre Macht birgt auch Risiken, besonders wenn sie als Grundlage einer Argumentation eingesetzt werden.

Ein weit verbreiteter Trugschluss ist die Annahme, dass Gefühle einfach „passieren“ und wir für sie keine Verantwortung tragen. Die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT), ein wissenschaftlich anerkannter Therapieansatz, lehrt uns jedoch etwas anderes: Unsere Gefühle sind das Ergebnis unserer Gedanken und unserer eigenen Bewertungen.

Das ABC der Emotionen nach KVT

Die KVT geht davon aus, dass unsere emotionalen Reaktionen nicht direkt durch ein Ereignis ausgelöst werden, sondern durch unsere Interpretation dieses Ereignisses. Man spricht hier vom ABC-Modell:

  • A (Activating Event): Das auslösende Ereignis (z.B. ein Kollege liefert einen Bericht zu spät).
  • B (Beliefs): Unsere Gedanken und Bewertungen über dieses Ereignis (z.B. „Das ist respektlos! Er sabotiert meine Arbeit.“).
  • C (Consequences): Die emotionalen und verhaltensbezogenen Konsequenzen (z.B. Wut, Frustration, Vorwürfe an den Kollegen).

Das bedeutet: Wenn du dich wütend oder enttäuscht fühlst, ist es nicht allein das Verhalten des anderen, das diese Emotionen auslöst, sondern deine persönliche Bewertung und Interpretation dieses Verhaltens.

Warum das Argumentieren mit Gefühlen problematisch ist: Eine persönliche Erfahrung

Nutzen wir Sätze wie „Ich bin enttäuscht von dir, weil du X (nicht) getan hast“, passiert Folgendes:

  1. Verschiebung der Verantwortung: Wir geben dem Gegenüber die alleinige Schuld für unsere Emotionen. Doch aus KVT-Sicht sind wir für unsere Gefühle selbst verantwortlich, da sie durch unsere eigenen Gedanken geformt werden. Niemand kann uns „wütend machen“, wir können uns aber über etwas ärgern, basierend auf unserer Interpretation.
  2. Schuldzuweisung und Abwehr: Der Adressat fühlt sich in logischer Konsequenz angegriffen und in die Ecke gedrängt. Das führt oft zu einer defensiven Haltung, Rechtfertigungen oder Gegenangriffen, anstatt zu einer konstruktiven Lösungsfindung.
  3. Mangelnde Empathie: Indem wir unsere Gefühle als ultimatives und unumstößliches Argument präsentieren, ignorieren wir komplett die Perspektive des anderen. Das wiederum kann zu Verletzungen bei deinem Gegenüber führen und trägt nicht zur Lösungsfindung bei.
  4. Kurzfristiger Erfolg, langfristiger Schaden: Vielleicht erreichst du sogar kurzfristig dein Ziel, doch langfristig schadest du nicht nur der zwischenmenschlichen Beziehung mit deinem/r Kollegen/Kollegin, sondern sogar dem Teamklima. Vertrauen wird abgebaut, es kommt zu Verunsicherungen und die Kommunikation wird zunehmend vorsichtiger oder wird gar bis auf das nötigste ganz eingestellt. Letztlich kann es auch richtig Schaden anrichten, was die Produktivität betrifft, wenn die gute Kommunikation gestört oder gar unmöglich wird.

Ein Beispiel aus der Praxis: Wenn Erwartungen zu Vorwürfen werden

Nehmen wir ein reales Beispiel, wie es täglich im Berufsleben vorkommen könnte:

Eine Person erfährt von einer Kollegin oder einem Kollegen von deren Interesse an einer bestimmten Weiterbildung oder einem Projekt. Kurz darauf ergeben sich für die erste Person eigene Möglichkeiten oder Informationen (z.B. über eine Frist), die dazu führen, dass sie schneller handelt und Ergebnisse erzielt, bevor die andere Person überhaupt die Chance dazu hatte oder von diesen Informationen wusste. Vielleicht war der Informationsfluss ungleich, die Umstände schwierig oder es gab einfach keine passende Gelegenheit für ein klärendes Gespräch.

Als Reaktion kommt es dann zu einer Konfrontation: Die zweite Person äußert ihre tiefe Enttäuschung und den Vorwurf, nicht informiert worden zu sein. Oft wird dabei mit Gefühlen argumentiert („Ich bin so enttäuscht!“) und möglicherweise sogar ein Vertrauensbruch unterstellt.

Emotionen im Job @ Nick Fewings / Unsplash
Emotionen im Job @ Nick Fewings / Unsplash

Was ist hier passiert?

Was hier passiert, ist eine typische Verschiebung: Die Enttäuschung basiert auf der persönlichen Bewertung, die erste Person hätte absichtlich Informationen zurückgehalten oder die andere hintergangen. Die tatsächliche Realität – die verschiedenen Umstände, der ungleiche Informationsstand, die fehlende Kommunikationsgelegenheit – wird dabei ausgeblendet oder ignoriert. Solche Vorfälle können dazu führen, dass die Zusammenarbeit auf Augenhöhe nachhaltig gestört wird und eine tiefe Verunsicherung darüber entsteht, welche Erwartungen an die Kommunikation überhaupt bestehen.

Wissenschaftliche Belege: Die Macht der Attribution

Forschungsergebnisse aus der Attributionstheorie (z.B. Fritz Heider, Bernard Weiner) untermauern diese Sichtweise. Sie beschreibt, wie Menschen Ursachen für Ereignisse und Verhaltensweisen zuschreiben. Wenn wir unsere negativen Gefühle extern attribuieren – also ausschließlich dem Verhalten des anderen zuschreiben –, fördert das eine Opferhaltung und verhindert die Übernahme von Selbstverantwortung.

Studien zur emotionalen Intelligenz (Daniel Goleman) zeigen zudem, dass der effektive Umgang mit eigenen und fremden Emotionen eine Schlüsselkompetenz für beruflichen Erfolg und Wohlbefinden ist. Dazu gehört auch die Fähigkeit, Emotionen zu regulieren, statt sie als Mittel der Schuldzuweisung einzusetzen.

Die bleibende Wirkung emotionaler Vorwürfe: Was einmal gesagt ist…

Es ist entscheidend zu verstehen, dass Worte, die im Eifer des Gefechts oder aus einer tief empfundenen Enttäuschung heraus fallen, nicht einfach wieder „eingesammelt“ werden können. Eine offene Zurschaustellung von starker Enttäuschung oder gar ein direkter Vorwurf des Vertrauensbruchs, wie in meinem Beispiel, hinterlässt tiefe Spuren. Das Gegenüber wird sich angegriffen, missverstanden und möglicherweise unfair behandelt fühlen. Solche emotional geladenen Aussagen und Schuldzuweisungen lassen sich nicht einfach zurücknehmen. Sie brennen sich in das Gedächtnis ein und verändern die Dynamik der Beziehung nachhaltig.

Ein einmal gesagtes „Ich bin zutiefst enttäuscht von dir“ oder „Du hast mein Vertrauen missbraucht“ kann das Fundament einer kollegialen Beziehung unwiederbringlich erschüttern. Selbst wenn später eine Entschuldigung folgt, bleibt oft ein ungutes Gefühl, eine Unsicherheit und ein latentes Misstrauen bestehen. Und jede Kleinigkeit, die davor eine kaum wahrnehmbare Bagatelle geblieben wäre, lässt die Erinnerungen an diesen Konflikt wieder aufleben.

Die ehemals lockere und offene Zusammenarbeit weicht einer vorsichtigen, abwägenden und auf das Notwendigste beschränkte Kommunikation, da sich niemand erneut solchen emotionalen Angriffen oder Rechtfertigungszwängen aussetzen möchte. Bevor du also mit deinen Gefühlen argumentierst, halte inne und überlege dir sehr genau, welche langfristigen Konsequenzen das für das Arbeitsklima und deine Beziehungen im Team haben könnte. Denn was einmal ausgesprochen ist, kann man nie wieder ungeschehen machen.

So geht’s besser: Konstruktiver Umgang mit Emotionen im Job

Was kannst du stattdessen tun, um am Arbeitsplatz produktiv und respektvoll zu kommunizieren?

  1. Die Situation und eigene Gedanken klären: Nimm dir einen Moment Zeit, bevor du reagierst. Welche Gedanken und Bewertungen lösten das Gefühl aus? Gibt es alternative Interpretationen des Verhaltens der anderen Person? Vielleicht hatte der Kollege einen guten Grund für die Verzögerung, oder es lagen Kommunikationsprobleme vor?
    Oder ärgere ich mich im Grunde über mich selbst? In meinem Beispiel könnte das möglicherweise das Versäumnis meiner Kollegin gewesen sein, dass sie der Sache ebenfalls mehr Nachdruck verleihen hätte können.
  2. Aktives Zuhören und Perspektivwechsel: Gib auch dem Gegenüber Raum und Gelegenheit, sich zu erklären. Frage aktiv nach und versuche, die Situation aus der Sicht des anderen zu verstehen. Eine offene Haltung fördert Lösungen.
  3. Fokus auf das Problem, nicht die Person: Trenne die Sach- von der Beziehungsebene. Konzentriere dich auf die Fakten, nicht auf die Emotionen und ziehe niemals voreilige Schlüsse.
  4. Erwartungen an Kommunikation klären: Erwarte nicht, dass andere deine Gedanken lesen oder intuitiv wissen, welche Informationen du wann benötigst. Wenn du von jemandem etwas wissen willst, frag einfach direkt nach.
    Und umgekehrt: Wenn du etwas mitteilen möchtest, das für andere relevant sein könnte, suche aktiv das Gespräch oder den passenden Kanal. Eine Erwartungshaltung, dass der andere „von selbst“ auf dich zukommen muss, führt oft zu Missverständnissen und Frustration, da die Kommunikationsverantwortung nicht klar verteilt ist.

Fazit: Gute Kommunikation geht über Emotion

Gefühle am Arbeitsplatz sind unvermeidlich. Sie zu unterdrücken, ist ebenso ungesund wie sie als unreflektiertes Mittel der Schuldzuweisung einzusetzen. Ein bewusster und verantwortungsvoller Umgang mit den eigenen Gefühlen ist ein Zeichen von Stärke und emotionaler Intelligenz. Sie fördert ein Umfeld, in dem man über mögliche Missverständnisse offen sprechen kann und die dann gemeinsam gelöst werden können – ohne Schuldzuweisungen oder emotionale Erpressung. Und ohne die eigenen Gefühle sofort offenzulegen.

Das Beispiel zeigt eindrücklich, wie schnell Missverständnisse entstehen und wie die Zuschreibung von Schuld eine ganze Arbeitsbeziehung nachhaltig belasten kann. Letztlich liegt die Verantwortung für unsere Gefühle bei uns selbst, auch wenn die Auslöser im Außen liegen mögen.

Investiere in deine kommunikativen Fähigkeiten und lerne deine Emotionen zu regulieren. Diese Fähigkeiten kann man tatsächlich trainieren. Dein Team, deine Kollegen und insbesondere du selbst werden davon profitieren.


Was sind deine Erfahrungen mit emotionalen Konflikten am Arbeitsplatz? Wie gehst du damit um, wenn dir mit Gefühlen begegnet wird? Teile deine Gedanken und Tipps in den Kommentaren!

Quellenangaben

Beck, J. S. (2011). Kognitive Verhaltenstherapie: Grundlagen und Anwendung (2. Aufl.). Springer.

Ellis, A. (1994). Reason and Emotion in Psychotherapy. Carol Publishing Group.

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