Führungskräfte & Zusammenarbeit mit Mitarbeitern mit ADHS

von Sylvia
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Eine Führungskraft bespricht sich mit einer Mitarbeiterin. ©Amy Hirschi / Unsplash.com

Führungskräfte & Zusammenarbeit mit Mitarbeitern mit ADHS

Was musst Du beachten?

In der heutigen Arbeitswelt spielt das Thema Diversität für Führungskräfte eine immer größere Rolle. Dabei geht es aber nicht nur um die kulturelle Vielfalt, sondern auch um neurodivergente Mitarbeitende, wie zum Beispiel Personen mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung). Als Führungskraft trägst Du eine ganz besondere Verantwortung, sowohl ein inklusives und unterstützendes Arbeitsumfeld für Dein ganzes Team zu schaffen, wie auch für die Gesunderhaltung Deiner Mitarbeitenden Sorge zu tragen. Doch was genau solltest Du dabei im Umgang mit Mitarbeitern mit ADHS beachten?

Führungskräfte: eine Vorgesetzte im Gespräch mit einer Mitarbeiterin. ©Amy Hirschi / Unsplash.com
Foto: Amy Hirschi / Unsplash.com

Verstehen und Anerkennen von ADHS

ADHS ist eine neurobiologische Störung (wobei der Begriff „Störung“ derzeit sehr stark in der Kritik steht; vielmehr handelt es sich um eine Varianz), die sich durch Probleme mit Aufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität auszeichnet. Besonders wichtig ist es zu erkennen, dass ADHS auf gar keinen Fall ein Zeichen von Faulheit oder mangelnder Intelligenz ist. Ganz im Gegenteil: Menschen mit ADHS bringen oft besondere Stärken wie Kreativität, Problemlösungsfähigkeiten und Enthusiasmus mit.

Als ADHS-Betroffene, wie auch aus meinen eigenen Erfahrungen als Führungskraft lege ich Dir ans Herz hier unbedingt in eine wertschätzende, vertrauens- und respektvolle Kommunikation mit Deinem Mitarbeitenden zu gehen.

Kommunikation und Transparenz durch Führungskräfte

Eine offene Kommunikation der Führungskräfte ist der Schlüssel zum Erfolg in der Zusammenarbeit mit Mitarbeitenden mit ADHS. Ermutige gerne Deine Mitarbeitenden, über ihre Bedürfnisse und Herausforderungen zu sprechen. Bedenke auch immer, dass Du auch Mitarbeitende im Team haben könntest die zum einen neurodivergent sind, und es aus verschiedenen Gründen selbst gar nicht wissen. Oder aber sie haben in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht und möchten es einfach nicht mehr thematisieren, beziehungsweise sie hegen die Befürchtung man könnte sie in eine Schublade stecken, in die sie nicht gesteckt werden möchten.

Ich persönlich würde es aus verschiedenen Gründen wohl meine ADHS inzwischen nicht mehr offenlegen. Welche Überlegungen Betroffene anstellen, kannst Du in einem anderen Artikel hier auf dem Blog nachlesen. Um Deinen Mitarbeitenden Raum für Vertrauen und Offenheit zu schaffen, frage Dich: „Wie kann ich ein Umfeld schaffen, in dem sich alle sicher fühlen, ihre Bedürfnisse offen anzusprechen?“ Transparenz fördert Vertrauen und hilft, Missverständnisse zu vermeiden. Niemals solltest Du entgegengebrachtes Vertrauen verletzen – aber das gilt natürlich für ALLE Deine Mitarbeitenden.

Führungskräfte sorgen für Struktur und Klarheit

Man liest gerne, Mitarbeitende mit ADHS würden besonders von klaren Strukturen und eindeutigen Anweisungen profitieren. Ich bevorzuge den Ausdruck „Erklärungen“, denn „Anweisung“ klingt wie „Befehl“ und löst zum Beispiel in mir bereits schon inneren Widerstand aus. Kann ich nicht erklären, ist aber so. Für andere ADHSler mag jedoch etwas anderes zutreffen, wo wir wieder bei der offenen Kommunikation wären. Rede mit Deinen Mitarbeitenden und FRAGE sie was sie brauchen. Wir ADHSler sind weder dümmlich, noch sind wir andererseits in irgendeiner Form Wunderkinder. Auf diesen Aspekt komme ich später noch einmal zu sprechen.

Für manche Mitarbeitende mit ADHS ist es hilfreich, klare Prioritäten und Ziele oder Deadlines zu setzen, um Orientierung zu haben. Für andere ADHSler, wie mich, löst eine Deadline einen sofortigen Blackout aus. Eine Deadline macht mich handlungsunfähig. Ein kleiner Tipp an dieser Stelle: frag einfach mal Deinen Mitarbeitenden, wie er priorisieren würde? Menschen mit ADHS sehen oft die Gesamtzusammenhänge und haben nicht selten schon Lösungen für Probleme, die Du als Führungskraft vielleicht noch nicht einmal gesehen hast. Möglicherweise ist die Priorisierung, die Dir Dein Mitarbeitender vorschlägt sogar wesentlich sinnvoller? Regelmäßige Feedbackschleifen und Check-ins können ebenfalls hilfreiche Tools für Eure Zusammenarbeit sein. Frage Dich selbst also einfach einmal wie Du die Arbeitsabläufe so gestalten kannst, dass sie für alle verständlich und überschaubar sind?

Flexibilität und Anpassungen

Zeige Flexibilität bei der Gestaltung der Arbeitsumgebung. Manche Menschen mit ADHS arbeiten besser in einer ruhigen Umgebung, während andere von einem dynamischeren Umfeld profitieren. Erlaube Deinen Mitarbeitenden flexible Arbeitszeiten und das Arbeiten im Homeoffice, um deren individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen. Wenn Du Deinen Mitarbeitenden mit ADHS Gestaltungsmöglichkeiten und kreativen Freiraum lässt, werden sie Dich mit entsprechenden Ergebnissen überraschen. Allerdings solltest Du auch hier mit Deinem Mitarbeitenden über seine Bedürfnisse reden. Ein neurodivergenter Kollege hat mir einmal gesagt „Kennst Du einen Neurodivergenten, kennst Du EINEN Neurodivergenten“. Genau so ist es: nicht alle haben dieselben Bedürfnisse. Zusammen könnt ihr also überlegen, wie Du flexible Lösungen implementieren kannst, die den Arbeitsalltag Deiner Mitarbeitenden verbessern.

Förderung der Stärken durch Führungskräfte

Konzentriere Dich darauf, die Stärken Deiner Mitarbeitenden zu fördern. Menschen mit ADHS können besonders kreativ und lösungsorientiert sein. Biete Möglichkeiten zur Weiterentwicklung und unterstütze sie dabei, ihre Talente bestmöglich einzusetzen. Allerdings kann ich Dir aus eigener Erfahrung sagen, dass ich nicht alles, was ich gut mache auch gerne mache. Und das hat nichts damit zu tun, dass ich dann einfach nur keine Lust darauf habe und mir meinen eigenen Ponyhof basteln möchte. Nein, leider führt es dazu, dass ich dabei ausbrenne, da es mich überdurchschnittlich viel Kraft und Anstrengung kostet.

Respektiere also, wenn Dein Mitarbeitender Dir sagt, dass er bestimmte Aufgaben oder Tätigkeiten nicht gerne macht, wenn Du verhindern möchtest, dass er für die nächsten Monate wegen eines Burnouts oder einer schweren Depression ausfällt. Lies dazu gerne meinen Artikel über die Löffeltheorie auf meine Reise- und Lifestyle-Blog. Im Übrigen arbeiten mache ADHSler auch lieber alleine als im Team. Wenn dem so ist, dann schaut welche Aufgaben er übernehmen kann, die er auch alleine bewältigen kann. Ermutige ihn/sie auch nach Hilfe bei Dir oder im Team zu fragen, falls er doch nicht weiter kommt. Schaut Euch am besten gemeinsam und auf Augenhöhe an, welche speziellen Fähigkeiten Du bei Deinem Mitarbeitenden fördern kannst, damit dieser sein volles Potenzial auszuschöpfen kann.

Weiterbildung und Sensibilisierung der Führungskräfte & des Teams

Ich kann Dir empfehlen, Dich UND Dein Team im Umgang mit neurodivergenten Mitarbeitenden zu schulen. Auch Deine restlichen Mitarbeitenden haben ein Recht darauf, zu lernen wie sie leichter mit ihren neurodivergenten Kollegen umgehen. Wer die Hintergründe nicht versteht, tut sich schwer zu verstehen und einzuordnen. Dies kann zu erheblichen Spannungen im Team führen.

Ein besseres Verständnis für ADHS und andere neurodivergente Zustände hilft sehr dabei, Betroffene zu entstigmatisieren, Vorurteile abzubauen und ein inklusiveres Arbeitsumfeld zu schaffen. Bist Du bereit, in die Weiterbildung Deines Teams zu investieren, um ein besseres Verständnis und mehr Empathie zu fördern? Komm gerne auch jetzt schon auf mich zu. Ich plane derzeit an entsprechenden Beratungs- und Coachingangeboten. Gemeinsam können wir schauen, vor welchen Herausforderungen Du mit Deinem Team stehst und ob ich in Kürze ein passendes Angebot für Dich bereitstellen kann.

Respekt und Empathie

Respekt ist im Umgang mit neurodivergenten Mitarbeitenden und Kollegen ein Zauberwort. Respektiere die individuellen Unterschiede und Bedürfnisse Deiner Mitarbeitenden und pflege eine gute Kommunikation auf Augenhöhe. Zeige Empathie und Verständnis für ihre persönlichen Herausforderungen, auch wenn Du sie nicht nachvollziehen kannst. Entscheide nicht Du darüber, was für Deinen Mitarbeitenden richtig oder falsch ist, denn Du hast einen vollwertigen, erwachsenen und vor allem mündigen Mitarbeiter vor Dir.

Wenn wir ADHSler unseren Gestaltungsfreiraum haben, mit Respekt behandelt werden und gleichzeitig auch einmal Schwäche zeigen dürfen, ohne dass man gleich enttäuscht von uns ist, uns die Arbeit Spaß macht und wir einen Sinn darin sehen, dann laufen wir zur Höchstform auf. Und: verzichte unbedingt darauf Dinge zu sagen wie „ja, das kenne ich auch“ oder „geht mir auch immer so“ und „das habe ich auch!“, denn: nein, das hast Du nicht. Wenn Du nicht ebenfalls von ADHS betroffen bist, kommen Dir sicher einzelne Dinge bekannt vor. Aber Nicht-Betroffene sind in der Lage, sich schneller zu erholen und die Dinge zu verarbeiten.

Die Problematik des Begriffs „hochfunktionell“ in Bezug auf Neurodivergenz

Unbedingt vermeiden solltest Du auch Begriffe wie „hochfunktionell“ oder „High efficiency Performer“ und Deinen Mitarbeitenden als eine Art Wunderkind zu betrachten. Wir und unsere Gehirne sind nicht besser oder schlechter, sie funktionieren nur anders. Manche Prozesse sind schneller, manche langsamer und jeder einzelne ADHSler ist auch unterschiedlich. Der Begriff „hochfunktionell“ wird häufig verwendet, um neurodivergente Personen zu beschreiben, die scheinbar weniger Unterstützung benötigen. Doch dieser Begriff ist nicht nur irreführend, sondern auch problematisch aus mehreren Gründen:

Unzureichende Beschreibung der Realität

Der Begriff „hochfunktionell“ suggeriert, dass eine Person mit wenigen oder keinen Unterstützungsmöglichkeiten gut im Alltag zurechtkommt. Dies ignoriert jedoch die Tatsache, dass viele neurodivergente Menschen, auch wenn sie in bestimmten Bereichen gut funktionieren, in anderen erhebliche Herausforderungen haben können. Beispielsweise kann eine Person mit „hochfunktionellem“ Autismus oder ADHS in einem professionellen Umfeld gut zurechtkommen, aber dennoch Schwierigkeiten mit sensorischen Überlastungen oder sozialen Interaktionen haben​ (Cleveland Clinic &​ Wikipedia)​.

Stigmatisierung und falsche Erwartungen der Führungskräfte

Durch die Verwendung von Begriffen wie „hochfunktionell“ oder „niedrig funktionell“ werden neurodivergente Menschen oft in Schubladen gesteckt, die ihren individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten nicht gerecht werden. Dies kann zu falschen Erwartungen und unzureichender Unterstützung führen. Menschen, die als „hochfunktionell“ gelten, könnten unter Druck gesetzt werden, über ihre Belastungsgrenze hinaus zu arbeiten, während diejenigen, die als „niedrig funktionell“ eingestuft werden, möglicherweise nicht die Chancen und Ressourcen erhalten, die sie benötigen, um ihr Potenzial voll auszuschöpfen​ (GesundheitOK)​.

Förderung eines inklusiven Arbeitsumfelds

Anstatt sich auf Labels zu verlassen, sollten Führungskräfte und Teams den individuellen Bedürfnissen und Stärken jedes Mitarbeitenden Aufmerksamkeit schenken. Dies erfordert eine flexible und personenzentrierte Herangehensweise, die darauf abzielt, das Beste aus jedem Teammitglied herauszuholen und gleichzeitig ein unterstützendes und verständnisvolles Arbeitsumfeld zu schaffen.

Hinweis: Ich bin weder Ärztin noch Therapeutin. Ich teile mein Wissen und meine Erfahrungen mit Dir. Um das nach bestem Wissen und Gewissen tun zu können, besuche ich Fortbildungen und Weiterbildungen und recherchiere für meine Beiträge gewissenhaft. Dennoch ist es nicht ausgeschlossen, dass sich die Studienlage ändert, es unterschiedliche Thesen und Theorien zu einem einzelnen Thema gibt, oder ich möglicherweise sogar einer zweifelhaften Quelle aufgesessen bin. Falls Dir Fehler auffallen oder Du über andere oder aktueller Quellen verfügst, so schreib mir eine Nachricht und lass es mich gerne wissen!

Abschließende Gedanken

Die Zusammenarbeit mit neurodivergenten Mitarbeitenden erfordert Bewusstsein, Flexibilität und eine ausgesprochen offene Haltung. Indem Du die besonderen Bedürfnisse und Stärken Deiner Mitarbeitenden anerkennst und förderst, schaffst Du nicht nur ein inklusives Arbeitsumfeld, sondern steigerst auch die Zufriedenheit und Produktivität Deines Teams. Bist Du bereit, den nächsten Schritt zu gehen und Dein Team auf die bestmögliche Weise zu unterstützen?

Quellen:

  • Barkley, R. A. (2015). Attention-Deficit Hyperactivity Disorder: A Handbook for Diagnosis and Treatment. Guilford Press.
  • Hallowell, E. M., & Ratey, J. J. (2010). Driven to Distraction (Revised): Recognizing and Coping with Attention Deficit Disorder. Anchor.
  • Kooij, J. J. S. (2013). Adult ADHD: Diagnostic Assessment and Treatment. Springer.

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