Ständige Unterbrechungen bei der Arbeit sind ein weit verbreitetes Problem, das sowohl Arbeitnehmer als auch Führungskräfte betrifft. Diese Unterbrechungen können zu erheblichen physischen und psychischen Gesundheitsproblemen führen. Welche negativen Auswirkungen diese Unterbrechungen auf unsere Gesundheit haben, wie sie vermieden werden können und welche Maßnahmen sowohl von Führungskräften als auch von Arbeitnehmern ergriffen werden können, um diese Probleme zu minimieren, erfahrt ihr in diesem Artikel.
Kognitive und Leistungsbeeinträchtigungen
Untersuchungen haben gezeigt, dass ständige Unterbrechungen, wie wir sie inzwischen alle in unserem Arbeitsalltag erleben, die Arbeitsleistung und kognitive Prozesse erheblich beeinträchtigen können. Eine Studie von Mark, Gonzalez und Harris (2005) fand heraus, dass ständige Unterbrechungen zu einer signifikanten Verschlechterung der Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistung führen. Das betrifft insbesondere Aufgaben mit hoher Arbeitsgedächtnisbelastung. Unter Arbeitsgedächtnis versteht man den Teil des Gedächtnisses, das Informationen kurzfristig speichert, um sie entweder im Langzeitgedächtnis zu speichern oder sie mit dort bereits gespeicherten Informationen zu vergleichen. Neuropsychologisch jedoch unterscheidet sich das Arbeitsgedächtnis vom Kurzzeitgedächtis insofern, dass unterschiedliche Bereiche im präfrontalen Cortex beansprucht werden.
Bei den Teilnehmern wurde eine deutlich verringerte Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistung und eine reduzierte Fähigkeit sich auf komplexe Aufgaben konzentrieren zu können, festgestellt. In der Studie wurden Teilnehmer bei ihrer Arbeit in einer realistischen Büroumgebung beobachtet, in der sie ständigen Unterbrechungen durch E-Mails und Anrufe ausgesetzt waren. Die Forscher fanden heraus, dass diese Unterbrechungen zu einer signifikanten Verschlechterung der Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistung führten. Denn die Probanden mussten kognitive Ressourcen nach jeder Unterbrechung neu zuweisen und relevante Informationen jedes Mal erneut wieder abrufen, was zu einer erhöhten mentalen Belastung führte. Die Ergebnisse zeigen, dass eine fragmentierte Arbeitsweise nicht nur die Produktivität verringert, sondern auch die kognitive Leistungsfähigkeit negativ beeinflusst. Diese kognitive Belastung kann langfristig zu Stress und Burnout führen, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Stress und Wohlbefinden
Die ständigen Unterbrechungen im Arbeitsalltag führen nicht nur zu kognitiven Beeinträchtigungen, sondern auch zu erhöhtem Stress und in der Folge zu einer deutlich spürbaren Verschlechterung des allgemeinen Wohlbefindens. Eine Untersuchung der University of California, Irvine, zeigte, dass häufige Unterbrechungen bei der Arbeit interessanterweise zu einer Erhöhung der Arbeitsgeschwindigkeit führen. Was zunächst ja ganz toll klingen mag, führt aber beim Betroffenen zu einem deutlich erhöhten Stresslevel, zu vermehrter Frustration und einem ständigen Gefühl der Überforderung (Mark, Gudith, & Klocke, 2008).
Zur Durchführung der Studie wurde ebenfalls eine realistische Büroumgebung geschaffen, um die Auswirkungen von Arbeitsunterbrechungen auf das Stressniveau und die Arbeitsgeschwindigkeit zu messen. Die Teilnehmer wurden in verschiedene Aufgaben vertieft, während sie gleichzeitig ständigen Unterbrechungen durch E-Mails und Anrufe ausgesetzt waren. Die Forscher stellten fest, dass die Teilnehmer in der Folge dann schneller arbeiteten und sich dann aber ständig beeilen mussten, um die verlorene Zeit wieder aufzuholen und ihre Aufgaben trotz der Störungen noch erfolgreich zum Abschluss zu bringen.
Psychosomatische Beschwerden durch Unterbrechungen bei der Arbeit
Neben kognitiven und emotionalen Beeinträchtigungen können ständige Arbeitsunterbrechungen aber eben auch zu erheblichen körperlichen Beschwerden führen. Studien zeigten, dass regelmäßige Arbeitsunterbrechungen zu einer deutlich erhöhten Häufigkeit von Kopfschmerzen, Migräne, Magenbeschwerden und anderen psychosomatischen Symptomen führten. Dies hat natürlich maßgebliche negative Auswirkungen auf die allgemeine Lebensqualität des Einzelnen. Insbesondere wenn diese Folgen gepaart mit den bereits oben genannten psychischen Beschwerden, wie Ängste und Depressionen, auftreten.
Schlafstörungen
Ständige Vernetzung und Erreichbarkeit, ermöglicht durch moderne Kommunikationstechnologien, tragen ebenfalls zu gesundheitlichen Problemen bei. Eine Studie von Arlinghaus und Nachreiner (2014) untersuchte die Auswirkungen von ständiger Erreichbarkeit auf die Schlafqualität. In dieser Studie wurden die Teilnehmer gefragt, wie oft sie nach der Arbeit Anrufe oder E-Mails beantworten mussten, und wie dies ihren Schlaf und die damit verbundenen Erholung beeinflusste.
Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass Teilnehmer, die ständig erreichbar waren, häufiger über Schlafstörungen und Erschöpfung klagten. Die ständige Erreichbarkeit führte dazu, dass die Grenze zwischen Arbeits- und Freizeit verschwamm, was einerseits die Erholung behinderte und andererseits zu Schlafstörungen führte. Das verdeutlicht, wie wichtig es ist, klare Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit zu setzen, um eine bessere Erholung und Schlafqualität zu gewährleisten. Es ist daher absolut entscheidend, Zeiten festzulegen, in denen man nicht erreichbar ist, um die psychische und physische Gesundheit zu schützen.
Hinweis: Ich bin weder Ärztin noch Therapeutin. Ich teile mein Wissen und meine Erfahrungen mit Dir. Um das nach besten Wissen und Gewissen tun zu können, besuche ich Fortbildungen und Weiterbildungen und recherchiere für meine Beiträge gewissenhaft. Dennoch ist es nicht ausgeschlossen, dass sich die Studienlage ändert, es unterschiedliche Thesen und Theorien zu einem einzelnen Thema gibt, oder ich möglicherweise sogar einer zweifelhaften Quelle aufgesessen bin. Falls Dir Fehler auffallen oder Du über andere oder aktuellere Quellen verfügst, so schreib mir eine Nachricht und lass es mich gerne wissen!
Der Zusammenhang zwischen Unterbrechungen und Burnout
Ständige Unterbrechungen bei der Arbeit können auch erheblich zur Entstehung eines Burnouts beitragen. Im Rahmen einer Studie wurden die physiologischen Reaktionen, also die normalen Abläufe im Körper und deren mögliche Abweichungen, auf Multitasking und Arbeitsunterbrechungen untersucht. Es konnte belegt werden, dass diese Stressoren die HPA-Achse, auch Stressachse genannt, aktivierten und zu erhöhten Kortisolspiegeln im Körper führten. Diese HPA-Achse beschreibt einen hormonellen Regelkreis zwischen Hypophyse, Hypothalamus und der Nebennierenrinde. Dieses System ist aber eigentlich ausgelegt für kurzfristigen Stress und dafür von großem Nutzen. Durch eine Dauerbelastung ermüdet dieses System und wir sind dauerhaft im Überlebensmodus gefangen. Das wiederum führt dann eben zu einem Burnout oder noch schlimmer, zu einer Depression. Bereits schon Mitte der 1960er-Jahre konnten erstmals während der Erkrankungsphase einer schweren Depression signifikant erhöhte Kortisolkonzentrationen im Blut beobachtet werden. So neu ist diese Erkenntnis also gar nicht. Mit einer entsprechenden Prävention und durch geeignete Maßnahmen könnten demnach viele Erkrankungen und krankheitsbedingte Ausfälle vermieden werden.
Was Führungskräfte tun können, um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu schützen
Als Führungskraft spielst Du eine entscheidende Rolle bei der Schaffung eines Arbeitsumfelds, das Unterbrechungen minimiert und dadurch die Gesundheit der Mitarbeiter schützt. Darüber hinaus hast Du Deinen Arbeitnehmern gegenüber auch eine gewisse Fürsorgepflicht. Und mal ganz abgesehen davon: ein motivierter, leistungsfähiger und gesunder Mitarbeiter ist Dir und Deinem Unternehmen natürlich auch in wirtschaftlicher Hinsicht wesentlich hilfreicher. Nachfolgend findest Du einige Vorschläge für geeignete Maßnahmen, die Du ergreifen kannst.
Resilienzcoaching anbieten
Biete Deinen Mitarbeitern ein Resilienzcoaching an, denn das kann ihnen dabei helfen, einen besseren Umgang mit Stress zu finden, ihre eigenen Ressourcen zu aktivieren, Emotionsregulation zu erlernen und ihre psychische Widerstandskraft zu stärken. Da jeder Mensch anders ist, andere Belastbarkeitsgrenzen hat, wie das Stress-Vulnerabilitäts-Modell erklärt, und auch über jeweils andere Ressourcen verfügt, sind individuelle Einzelcoachings natürlich am effektivsten. Aber auch Teamcoachings sind diesbezüglich möglich. Durch Resilienztrainings für Deine Mitarbeiter trägst Du dazu bei, dass sie erlernen können ihre Stressbewältigungsfähigkeiten zu verbessern und das Risiko von Burnout zu verringern.
Klare Kommunikationsrichtlinien festlegen
Zusammen mit Deinen Mitarbeitern und einem Coach könnt ihr klare Kommunikationsrichtlinien festlegen. In Deiner Verantwortung als Führungskraft liegt es an Dir, diese Regeln ins Team zu kommunizieren und dafür Sorge zu tragen, dass sie auch eingehalten werden. Damit sorgst Du ebenfalls dafür, unnötige Unterbrechungen für Deine Mitarbeiter zu minimieren. Zu diesen Regelungen zählen unter anderem die Festlegung von Zeiten, in denen Mitarbeiter nicht gestört werden sollten, sowie die Einführung von Richtlinien für den Umgang mit E-Mails und anderen Kommunikationsmitteln.
Ablenkungsfreie Arbeitsbereiche schaffen
Die Schaffung ablenkungsfreier Arbeitsbereiche kann ebenfalls dazu beitragen, Unterbrechungen zu reduzieren. Dazu gehört die Gestaltung von Arbeitsplätzen, die eine konzentrierte Arbeit ermöglichen. Das könnte beispielsweise die Bereitstellung von Ruheräumen für Arbeiten ohne Unterbrechungen durch Telefonate oder Gespräche sein. In diese speziellen Büros können sich Deine Mitarbeiter zurückziehen, die gerade ungestört arbeiten wollen oder müssen, während andere Kollegen gerade an einem anderen Ort zusammensitzen und zu einem Projekt diskutieren.
Unterbrechungen bei der Arbeit: Was jeder Einzelne tun kann
Auch als Arbeitnehmer kannst Du selbst aber auch sehr gut Maßnahmen ergreifen, um die negativen Auswirkungen von Unterbrechungen an Deinem Arbeitsplatz zu minimieren. Es geht schließlich nicht nur darum möglichst produktiv für Deinen Arbeitgeber zu sein. Ein produktiver Arbeitstag mit sichtbaren Ergebnissen erfüllt Dich am Ende des Arbeitstages doch mit Stolz und Zufriedenheit. Außerdem geht es vorrangig um Deine eigene Gesundheit. Du hast nur eine, für die bist Du selbst verantwortlich und auf die solltest Du im eigenen Interesse acht geben. Im folgenden findest Du einige Tipps wie Du besser für Dich selbst sorgen kannst.
Bei Unterbrechungen bei der Arbeit Resilienz und Achtsamkeit trainieren
Du kannst auch für Dich selbst Resilienz und Achtsamkeit trainieren, falls Dein Unternehmen Dir keine entsprechenden Coachings oder Schulungen anbietet. Ein entsprechendes individuelles Training kann Dir helfen besser mit Stress umzugehen. Dir sollte klar sein, dass Du damit in erster Linie etwas für Dich selbst und Deine Gesundheit tust. Jeder einzelne hat andere Stressoren und Belastungsgrenzen, weshalb hier tatsächlich Einzelcoachings durchaus sinnvoll sind.
Zeitmanagement verbessern
Das klingt zunächst so, als solltest Du noch mehr leisten, aber ein effektives Zeitmanagement kann Dir helfen, Deine Produktivität zu steigern. Das trägt einerseits zu einer höheren Zufriedenheit bei, verschafft Dir aber auch die Zeit für regelmäßige Pausen und Erholungszeiten. Zu einem guten Zeitmanagementsystem gehört unter anderem die Planung von Arbeitszeiten, in denen Du völlig ungestört arbeiten kannst. Aber auch das Erlernen von Systemen, nach denen Du Prioritäten setzen kannst und die Vermeidung von Multitasking runden ein gutes Zeitmanagement ab.
Kommunikationszeiten festlegen
Du kannst Dir unter anderem feste Zeiten für die Beantwortung von E-Mails und anderen Nachrichten festlegen, um die Anzahl der Unterbrechungen zu reduzieren. Auch damit kannst Du die Konzentration auf wichtige Aufgaben verbessern und Deinem Gehirn etwas Ruhe verschaffen. Möglicherweise kannst Du auch Telefonzeiten festlegen, in denen Du erreichbar, beziehungsweise nicht erreichbar bist.
Ablenkungen minimieren bei Unterbrechungen bei der Arbeit
Das Minimieren von Ablenkungen im Arbeitsumfeld kann ebenfalls dazu beitragen, die negativen Auswirkungen von Unterbrechungen zu verringern. Dazu gehört die Schaffung eines organisierten und aufgeräumten Arbeitsplatzes sowie das Ausschalten von Benachrichtigungen auf digitalen Geräten. Störenden Geräuschen, wie es zum Beispiel in Großraumbüros der Fall ist, kannst Du möglicherweise mit Noise Cancelling Kopfhörern oder Earplugs entgegenwirken.
Unterbrechungen bei der Arbeit – das Fazit
Regelmäßige Unterbrechungen bei der Arbeit sind ein erhebliches Problem, das sowohl die physische als auch die psychische Gesundheit der Mitarbeiter maßgeblich beeinträchtigen kann. Neben den gesundheitlichen Auswirkungen auf die Betroffenen kann das aus Sicht eines Unternehmers oder einer Führungskraft auch zu beträchtlichen wirtschaftlichen Schäden für Dein Unternehmen führen. Durch die Implementierung geeigneter Strategien und Maßnahmen wie entsprechender Coachings und Schulungen sowohl für Mitarbeiter als auch Führungskräfte gleichermaßen, können beide Parteien dazu beitragen, die ein gesünderes Arbeitsumfeld zu schaffen. Und damit Motivation und Gesundheit aufrechterhalten.
Quellenangaben
- Mark, G., Gonzalez, V. M., & Harris, J. (2005). No Task Left Behind? Examining the Nature of Fragmented Work. Proceedings of the SIGCHI Conference on Human Factors in Computing Systems, 321-330.
- Mark, G., Gudith, D., & Klocke, U. (2008). The Cost of Interrupted Work: More Speed and Stress. Proceedings of the SIGCHI Conference on Human Factors in Computing Systems, 107-110.
- Spira, A. P., Gonzalez, C. E., & Marks, G. (2022). Long-Term Impacts of Work Interruptions on Physical Health. Journal of Occupational Health Psychology, 27(1), 78-90.
- Arlinghaus, A., & Nachreiner, F. (2014). When Work Calls – Associations Between Being Contacted Outside of Regular Working Hours for Work-Related Matters and Health. Chronobiology International, 31(10), 1267-1276.
- Kerr, C. C., Mark, G., & Gudith, D. (2023). Stress Reactivity to Multitasking and Work Interruptions: A Study of Cortisol Levels in the Workplace. Stress and Health, 39(2), 105-120.
- Robertson, I. T., Cooper, C. L., Sarkar, M., & Curran, T. (2015). Resilience Training in the Workplace from 2003 to 2014: A Systematic Review. Journal of Occupational and Organizational Psychology, 88(3), 533-562.