ADHS – Was genau ist das?

von Sylvia
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ADHS – Was genau ist das?

Seit einiger Zeit geht das Thema ADHS bei Erwachsen durch sämtliche Medien, Plattformen, Podcasts und was sonst nicht noch alles. Aus gutem Grund, wie ich finde, denn lange ging man davon aus, ADHS gäbe es nur im Kinder- und Jugendalter. Und nicht nur das, man ging auch immer nur vom klassischen Erscheinungsbild eines Zappelphilipps aus. Mal Hand aufs Herz: was hast Du bis vor Kurzem wirklich noch über ADHS gedacht? Also ich gestehe, in meiner Vorstellung hatten achtjährige, eher schlecht erzogene Jungs, die zu viel Cola und Süßigkeiten bekommen haben, ADHS. Und eigentlich war es gar kein ADHS sondern eine faule Ausrede von Eltern, die sich nicht anständig um ihr Kind kümmern. Schon cool vom Schicksal, dass es mich dann selbst mit einer ADHS Diagnose bedacht hat, oder?

Verwächst sich ADHS?

Um also nun mal mit sämtlichen Klischees ins Gericht zu gehen: nein, ADHS löst sich nicht mit dem 18. Geburtstag – Puffff! – in Luft auf. Und nein, es sind nicht nur Jungs betroffen, sondern auch Mädchen. Und nein, es geht nicht immer nur mit einer nach außen sichtbaren Hyperaktivität einher. Verabschiede Dich an dieser Stelle auch von der Idee, dass es DAS EINE Bild von ADHS gibt, von dem Du ableiten kannst, dass Du oder jemand aus Deinem Umfeld betroffen sein könntest beziehungsweise könnte. ADHS ist von Mensch zu Mensch so unterschiedlich ausgeprägt, wie auch die einzelnen Charaktere und Wesenszüge der Menschen.

Illustration eines Gehirns mit ADHS

Ausprägungen und Begleiterscheinungen

ADHS hat ganz viele verschiedene unterschiedliche Ausprägungen. Dazu tritt es häufig kombiniert mit anderen Störungen auf, wie hochfunktionalem Autismus, Depressionen, Angst- und Panikstörungen, Borderline-Störung und anderen. Obendrein hat jeder einzelne von uns auch sowieso schon sein Päckchen zu tragen: in Form von traumatischen Erfahrungen zum Beispiel. Das muss noch lange kein Missbrauch sein, das kann einmal eine ganz einfache Zurückweisung im Kindesalter gewesen sein. Ein Kind ist nicht in der Lage diese Zurückweisung nicht als Ablehnung seiner Person zu interpretieren. Das alles hinterlässt Spuren in uns und macht es nicht leichter. Hinzu kommt, dass es im Rahmen der ADHS unterschiedlich starke Ausprägungen gibt und dass sich die Symptomatik im Laufe der Jahre auch durchaus verändern kann. So wie wir uns auch ganz naturgemäß als Erwachsener von unserem achtjährigen Ich unterscheiden. Naja, meistens jedenfalls.

Was ist ADHS also nun?

Aber nun zur eigentlichen Frage, was ADHS eigentlich ist. Die Abkürzung ADHS bedeutet Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung. Aufmerksamkeitsdefizit bedeutet übrigens auch nicht, dass der Betroffene nicht ausreichend Aufmerksamkeit erhält, sondern schlicht seine Aufmerksamkeit nicht lange aufrechterhalten kann. Jemand mit ADHS schweift leicht mit den Gedanken ab und lässt sich schnell ablenken. Hyperaktivität kann vorkommen, muss aber nicht. Das wird im DSM-V der WHO besser dargestellt als im aktuell noch in Verwendung befindlichen ICD-10, das im deutschsprachigen Raum Verwendung findet. Kommt Hyperaktivität vor, kann sie sich sowohl nach außen richten in Form von körperlicher Unruhe und ständigem Bewegungsdrang. Aber auch nach innen: in diesem Fall findet der Geist keine Ruhe und der Kopf ist ständig beschäftigt. Oder beides gleichzeitig.

Die Rolle von Dopamin und anderen Botenstoffen

Nach aktuellem wissenschaftlichen Stand liegt bei ADHS ein Störung der Botenstoffe im Hirnstoffwechsel vor. Vornehmlich betroffen sind die Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin. Neurotransmitter sind chemische Botenstoffe, die die Kommunikation zwischen Neuronen im Gehirn ermöglichen. Es wird angenommen, dass bei Menschen mit ADHS die Konzentration von Dopamin im synaptischen Spalt verringert ist. Es gibt mehrere mögliche Gründe für diese Verringerung. Einer davon ist, dass der Mechanismus der Wiederaufnahme von Dopamin überaktiv sein könnte, wodurch mehr Dopamin als normal wieder in die ursprüngliche Nervenzelle aufgenommen wird und weniger Dopamin für die Bindung an die Rezeptoren der nächsten Nervenzelle zur Verfügung steht. Ein weiterer möglicher Grund ist, dass die Nervenzellen weniger Dopamin produzieren oder freisetzen.

Diese verringerte Dopaminkonzentration im synaptischen Spalt führt möglicherweise dazu, dass die Informationsübertragung zwischen den Nervenzellen beeinträchtigt wird. Da Dopamin eine wichtige Rolle bei der Regulierung der Aufmerksamkeit, Motivation und Impulskontrolle spielt, könnte eine Störung in diesem System dazu beitragen, dass Menschen mit ADHS Schwierigkeiten haben, ihre Aufmerksamkeit zu fokussieren, hyperaktiv sind oder impulsives Verhalten zeigen. Diese Hypothese wird durch den Umstand gestützt, dass viele der Medikamente, die zur Behandlung von ADHS verwendet werden, die Wiederaufnahme von Dopamin (und Noradrenalin) hemmen oder aber die Freisetzung von Dopamin erhöhen. Die Menge an verfügbarem Dopamin im synaptischen Spalt wird dadurch erhöht, was im Idealfall zur Linderung der ADHS-Symptomatik führt.

Wie äußert sich ADHS?

Vielen Erwachsenen mit ADHS fällt es schwer ihren Haushalt zu bewältigen, andere dagegen sind Ordnungsfanatiker und damit das genaue Gegenteil. Typisch ist der bereits erwähnte Mangel an Konzentrationsfähigkeit, Vergesslichkeit und Unpünktlichkeit. Ich selbst bin dagegen eher überpünktlich und plane mir so viel Puffer ein, dass ich oft eine Stunde zu früh bei meinem Termin bin. Wir sind verpeilt, neigen mitunter zu Unfällen, durchleben oft schnelle Stimmungswechsel und haben häufig Schwierigkeiten Emotionen oder Impulse zu regulieren. Wir befinden uns in einem dauerhaften Stressmodus, so dass Stress im Alltag und im Job zur Überlastung führt. Betroffene fühlen sich häufig innerlich getrieben, was wiederum zu Nervosität und Gereiztheit führt.

Du siehst also, ADHS kann sich auf mannigfaltige Weise zeigen. Die Störung gilt hinsichtlich der Ursachen als multifaktoriell, ein genetischer Faktor spielt dabei eine sehr große Rolle, wie man mit Zwillingsstudien belegen konnte. ADHS kann man behandeln, aber heilbar ist es nicht. Ein Grund, warum sich Betroffene mitunter gegen den Begriff „Krankheit“ wehren, da dieser Begriff nahe legen könnte, dass man ADHS heilen könne. ADHS bekommt man auch nicht erst im Erwachsenenalter, sondern der Beginn liegt in der Kindheit. Das ist für die Diagnosestellung essenziell.

Hinweis: Ich bin weder Ärztin noch Therapeutin. Ich teile mein Wissen und meine Erfahrungen mit Dir. Um das nach besten Wissen und Gewissen tun zu können, besuche ich Fortbildungen und Weiterbildungen und recherchiere für meine Beiträge gewissenhaft. Dennoch ist es nicht ausgeschlossen, dass sich die Studienlage ändert, es unterschiedliche Thesen und Theorien zu einem einzelnen Thema gibt, oder ich möglicherweise sogar einer zweifelhaften Quelle aufgesessen bin. Falls Dir Fehler auffallen oder Du über andere oder aktuellere Quellen verfügst, so schreib mir eine Nachricht und lass es mich gerne wissen!

Fazit

Du siehst also, ADHS ist so vieles und doch ist es vor allem eines nicht: nämlich bis in die Tiefen erforscht. So bin ich kürzlich bei meinen Recherchen über eine Dissertation gestossen, die sich mit dem Thema ADHS bei Erwachsenen und Auswirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem befasst. Sie stammt aus den frühen 2010er Jahren und ist aber soweit ich überblicken konnte die einzige Forschungsarbeit zum Thema bis zum heutigen Tag. Es liegt also noch viel Forschungsarbeit vor uns. Bis dahin scheint mir Aufklärung der Öffentlichkeit und Austausch unter Betroffenen ein sehr wichtiges Instrument zu sein.

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1 Kommentar

Nach VUCA kommt BANI: Herausforderungen für Neurodivergente 7. Juni 2024 - 10:33

[…] mit ADHS haben oft Schwierigkeiten mit der Konzentration und Organisation, was in einer BANI-Welt besonders […]

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